Galerie Zandi. Berlin
Pressetext

GALASASCHA / Malerei
Visualisierte Liebeserklärung

Eine außerordentlich romantische Episode aus der eigenen Liebesgeschichte des Künstlerpaars „Galasascha“ diente als Inspiration für die Bilder aus der Serie „The Face“.

So hat alles begonnen, einst verliebte sich Sascha in das Foto eines Mädchens. Er arbeite damals als Fotograf in einer Modezeitschrift und hat dieses winzig kleine Bild in einer Schublade entdeckt. Das Mädchen mit den leichten asiatischen Zügen war für ihn wie eine Prinzessin, unglaublich schön und geheimnisvoll exotisch. Sie arbeitete für diese Zeitschrift seit ihrer Kindheit als Mannequin und Modell, aber zurzeit war sie weit weg, sie hat Kunst in einer anderen Stadt studiert. Sie wusste damals noch nicht, dass Sascha überhaupt existierte, und es sollte noch vier Jahre so bleiben. Obwohl Sascha ein paar Dutzend der schönsten Mädchen der Stadt in der Moderedaktion gesehen und fotografiert hat, der Gedanke an seine Wunsch-Verlobte hinderte ihn daran, den Kontakt zu anderen Mädchen aufzunehmen.

Nach einiger Zeit zog Sascha in eine andere, 4000 km entfernte, Stadt. Eines Tages besuchte er während des Urlaubs seine ehemalige Moderedaktion. Da saß auf einem realen Sofa das reale Mädchen seiner Träume und trank Bier aus einer realen Flasche!

Seitdem sind sie schon viele Jahre zusammen. Inzwischen haben sie sich auch entschieden, sich nur als Künstlerpaar „Galasascha“ zu äußern

Vor drei Jahren saßen Gala und Sascha in ihrem Berliner Atelier und diskutierten über die verschiedenen Aspekte der Portraitmalerei, dann erinnerte sich Sascha an die Geschichte mit dem gefundenen Foto. Daran wie er damals immer wieder die virtuellen Gala-Phantoms auf die Gesichter der realen Mädchen projiziert und sie mit ihr verglichen hat. Wegen dieses Vergleichsprozesses hat sich in seinem Kopf eine endlose Schleife von verschiedenartigen Darstellungen von Gala gebildet.

Alle diese optisch geprägten Erscheinungen der quasi fiktiven Gesichter inspirierten die Künstler zu einer großformatigen Ölmalerei-Portraitserie „THE FACE“. Erst simulierten Galasascha die Bildvorlagen dazu am Computer. Sie mixten dafür die Abbildungen von verschiedenen asiatischen Mädchen mit Galas Gesicht und manipulierten die Ergebnisse bis zu einem gewissen Grad, so dass alle Zutaten sich zu einer Reihe von imaginären Personen verschmolzen: Saschas „Träume“, seine gegenwärtigen Wahrnehmungen, die reale Gala und ihre Vorstellungen von ihrem eigenen Selbst. Diese Personen sind gleichzeitig absolut fiktiv, und von der anderen Seite sind sie gewissermaßen Galas Selbstportraits und vielleicht kann man sie als Saschas unendliche Liebeserklärung an Gala betrachten.

Es gibt noch einen Impuls für die Serie „THE FACE“. Gala war eine Prinzessin nicht nur in Saschas romantischen Vorstellungen, sondern sie kann sich in der Tat so nennen, weil sie, so kann man es ihrem Stammbaum ablesen, der Dynastie des Dschingis-Khan abstammt und zwar von dessen ersten Gemahlin Borte. Der mongolische Anführer hatte 26 Frauen und 2000 Konkubinen, es waren die schönsten Gesichtern Asiens. Für Gala ist diese Tatsache ambivalent - von einer Seite erschreckend, von der andere Seite faszinierend, unfassbar, virtuell und irreal. Sie hatte schon lange das unauslöschliche Bedürfnis, dieses Thema zu verarbeiten. Deswegen ist die Bildserie „THE FACE“ auch ihre Befreiung von ihren umfassenden Visionen.

Die Wahl der Ölmalerei als Medium ist von Galasascha bewusst getroffen. Die Realität der Malerei dient als Gegengewicht zur Irrealität der computermanipulierten Gesichter. Die Inspiration zu den intensiven Farben kommt auch aus der Dschingis-Khan Familie. Der Sohn und der Nachfolger des Herrschers Egedei war ein großer Farben-Liebhaber. Beim Fest zu seiner Amtseinsetzung, das mehrere Wochen dauerte, hat er jeden Festtag in einer anderen Farbe gestalten, er benutzte dafür die grellen chinesischen Seidenstoffe aus dem gigantischen Nachlass seines Vaters. Galasaschas Auseinandersetzungen mit der Malerei von Wassily Kandinsky und Alexej von Jawlensky halfen, die Präzision ihrer eigenen Farbaussagen zu formulieren. Kandinsky war nicht nur ein Künstler sondern ein Farbtheoretiker, der sich mit dem Zusammenwirken der Farben und der geometrischen Formen beschäftigt hat. Alexej von Jawlensky malte tausende zur Abstraktion reduzierte Gesichter, die er "Meditationen" nannte.

 

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INTERFACES
Gesichter als Projektions- und Grenzfläche


Die folgenden Anmerkungen zum Zyklus „The Face“ von Galasascha sind kultursemiotischer Natur. Das Zeichen wird mit Umberto Eco nicht als feststehende Entität sondern als vorläufiges Ergebnis einer Kodierungsregel definiert.
Die Kultursemiotik versucht diese Regeln zu durchdringen.

Galasascha The Face: oder Interfaces

Ich begrüße Sie zur Ausstellung des Projektes THE FACE des Künstlerpaares Galasascha. Zwei Dinge fallen in der Auseinandersetzung mit den hier ausgestellten Arbeiten sofort ins Auge:
Das ist (a) Realität und (b) Provokation (Virtualität):
Zum ersten Aspekt: Die hier ausgestellten Arbeiten erscheinen uns vertraut durch die Verwendung allgegenwärtiger medialer Kodes: d.h. durch ästhetische Gestaltungsverfahren, die wir aus der Werbung, der Fotografie, dem Film und der auch in Europa immer populärer werdenden Manga-Hyper-Realität kennen. Was wir sehen, scheint uns vertraut, weil hier eine Sprache gesprochen wird, der wir uns nicht entziehen können: Eine Sprache, die zum zentralen Kode der Konsumkultur geworden ist. Es ist die Bildsprache des global inszenierten dauernd anwesenden impacts (d.i. die heiße Nachricht mit Durchsetzungskraft). Das Gesicht einer jungen Frau in Großaufnahme, ihr verführerischer Augenaufschlag und die geschürzten Lippen verweisen in der Grammatik der Werbebildwelten jede Kaufaufforderung in der Verbalsprache auf den zweiten Rang.

Schon vor der Pop Art hat die Bildende Kunst die persuasive Sprache inszenierter Warenwelten mit Ironie für eigene Zwecke funktionalisiert. Wir befinden uns aktuell in einem Zustand des permanenten Rauschens hochwertig produzierter Bildzeichen. Galasascha übersteigern mit ihren Werken dieses Rauschen, in dem sie eines der wirkungsmächtigsten Zeichen bildlicher Verschlüsselung besetzen und künstlerisch neu bearbeiten: Das Gesicht. Das Gesicht besitzt schon immer einen vorrangigen Zeichencharakter, denn es ist primäres Mittel zum Transport von Botschaften: von der Mystifizierung, Glorifizierung bis hin zur Diffamierung. Heute ist das Gesicht vor allem ein Fetisch. Es ist die Projektionsfläche unserer Sehnsüchte, sei es durch das Opferritual plastischer Operationen oder durch den Maskenball des Virtual Space. Zu keinem Zeitalter wurde Schönheit mehr „designt“ als heute und hatte einen größeren Warenwert.


So weit zu den vertrauten Aspekten und der Realität, die die hier ausgestellten Arbeiten umgibt.

Sind damit Galasaschas Werke innerhalb des nie abreißenden Stroms medial vermittelter Bildfluten hinlänglich vertraute Botschaften?

b) Provokation (Virtualität)
Die Gesichter, die hier wie durch ein Vergrößerungsglas ausgeleuchtet werden, provozieren. Was hinter dem Vergrößerungsglas zu Tage tritt, sind jedoch keine Einzelheiten, wie etwa die spezifische Beschaffenheit von Haut oder Haaren. Wir sehen keine Porträts und damit keine Individuen, sondern – und dies ist das ist Teil ihrer Provokation – „scheinbar“ eine Serie attraktiver ethnischer Prototypen. Ihre Virtualität wird durch die Farbgebung und die Ausformung der Flächen unterstützt: Das Gesicht, sein Hintergrund und sein Vordergrund sind lediglich Projektionsflächen für leuchtende Farbformen, die sich in einer multiplen Komposition neben- und übereinander schieben um Transparenzen und Kontraste zu schaffen (overlay).

Wenn für Leonardo da Vinci das Auge noch Spiegel der (eigenen) Seele war, haben wir es bei den Blicken aus den Augen der hier Anwesenden lediglich mit einer bewusst inszenierten Vorspiegelung falscher Tatsachen zu tun. Diese Gesichter blicken uns weder aus der Tiefe ihrer Seele noch aus der Tiefe eines realen Raumes in die Augen. Dennoch entsteigen sie selbstbewusst ihrer eigenen Welt, - Heldinnen einer digitalen Wunderwelt -, um auf großformatigen Leinwänden in Öl in immer neuen Posen zu provozieren. Es ist sicher ihr Selbstbewusstsein, das fasziniert und das schon viele Betrachter in seinen Bann gezogen hat.

Ich möchte diesen Zustand der weiblichen Figur zwischen Realität und Virtualität in Anlehnung an den Titel der Arbeiten „The Face“ Interfaces nennen. Der Begriff Interface bezeichnet in der Informationswissenschaft die Schnittstelle oder auch Grenzfläche eines Kommunikationssystems mit einem anderen. Interfaces (im Plural) akzentuiert die Pluralität dieser Schnittstellen:
Thematisch: Das Gesicht an der Schnittstelle zwischen Realität und virtueller Scheinwelt;
Technisch: Das Gesicht an der Schnittstelle zwischen computermanipulierten Entwürfen und präziser akademisch malerischer Ausarbeitung;
Biographisch: Dem Gesicht an der Schnittstelle im Gemeinschaftswerk von GalaSascha, der künstlerischen Synthese der realen Personen Galina Brando und Sascha Abramov zum Künstlerpaar GalaSascha. Ihre beiden Biographien treffen im Werk in der Dimension Realität versus Virtualität aufeinander. Galina Brando sucht an der Schnittstelle zwischen westlicher und asiatischer Kultur nach ihrer Vergangenheit, die mit einem großen geschichtlichen Mythos und der Suche nach Gesichtern belastet ist. Sascha Abramovs Auseinandersetzung mit The Face spiegelt seine Begegnung mit Galina, die zunächst kein reale Begegnung, sondern eine Begegnung mit Fotos (also eine virtuelle) ist, wieder.

Galasascha haben in ihrer Thematik, Technik und ihrer biographischen Auseinandersetzung mit den aktuellen medialen Kodes ihre eigene provozierende Bildsprache gefunden:
Zwischen Realität und Virtualität, an der Schnittstelle von Form, Farbe und Gesicht.

Januar 2008, Dr. Dörte Schultze-Seehof